Es war wieder einer dieser trüben Tage im Herbst des Jahres 1998.
Ich versuchte zum x-ten Male, mich in meinem Keller bis ganz nach hinten durchzuarbeiten,
durch den ganzen Schrott von Jahrzehnten, der dort herumlag. Ich hatte mich fast bis ganz
hinten durchgekämpft, als mir ein stechender Schmerz auf meinem Hinterkopf signalisierte, daß
etwas hartes auf demselben gelandet sein mußte.
Krachend fiel es zu Boden.
Etwas benommen betrachtete ich dieses Etwas. Es war ein Cassettenrecorder. Ein Telefunken
Recorder, dessen archaisches Design auf ein Produkt aus grauer Vorzeit schließen ließ,
als Made in Germany noch fast unbegrenzte Haltbarkeit bedeutete. Sein Äußeres war beträchtlich
zerbeult. Eine nostalische Stimmung bemächtigte sich meiner. Dieser Recorder mußte so an die
30 Jahre alt sein. Wie hatte dieses Teil nur all meine Umzüge überlebt, ohne in einem Mülleimer
gelandet zu sein ? In seinem Inneren schlummerte noch eine Cassette. Grelles Neondesign.
Die hatte wohl auch schon ein paar Jahre auf dem Buckel. Beim Betrachten der Cassette
durchzuckte mich plötzlich ein Gedanke.
Das war vielleicht diese bestimmte Aufnahme, nach der ich schon seit Jahren in meinem Gerümpel
gesucht hatte. Ich hastete nach oben und legte die Cassette in meine Stereoanlage. Voll
angespannter Erwartung starrte ich auf die Boxen. Und jetzt ging es los. Schon nach Sekunden
wußte ich - das war sie. Die Aufnahmen nach der ich solange gesucht hatte.
The Mahavishnu Orchestra live in München 1972.
Ich mußte mich erst einmal setzen.
Ein nostalgisches Gefühle bemächtigte sich meiner. Was waren das noch für Zeiten.
Ich tauchte ein in die Vergangenheit und sah mich wieder als dürren langhaarigen, verkifften
Hippie dessen Lebensinhalt damals nur aus Musik bestand. Ja - früher war alles besser.
So denken wohl alle Generationen. Aber etwas war damals doch anders. Die allgemeine
Aufbruchsstimmung erstreckte sich auf alle Bereiche und eben auch auf die Musik.
Gerade in der Musik passierte damals umwälzendes. Die Verschmelzung von Jazz und Rock
war in vollem Gange. 2 Jahre dauerte diese Phase des Umbruchs. Während dieser Zeit
spielte ein Handvoll Bands auf einem bis dahin nicht für möglich gehaltenen musikalischen Niveau.
Im Jahre 1975 war dieser Spuk, der hereinbrach in die Musikwelt wie ein Taifun über eine kleine
Südseeinsel zwar schon vorbei - denn wer konnte dieses Niveau, das sich aus der Kraft
des "wandeln zu neuen Ufern" speiste schon über einen längeren Zeitraum halten -
doch was übrigblieb waren Dokumente unerhörter musikalischer Dichte und
einem Feuerwerk an genialen Einfällen.
Und die Krönung all dieser musikalischen
Schöpfungen war eben dieses Konzert, das leider nie veröffentlicht wurde.
Es schlummert wohl in den Archiven des Bayerischen Rundfunks.
1972 - Das Jahr der Olympischen Spiele in München. Das Land Bayern organisierte
das offizielle kulturelle Rahmenprogramm zu den Spielen. Und dazu wurde das Mahavishnu Orchestra
eingeladen. Dieses Konzert wurde damals live von SWF 3 übertragen und von mir
mit dem bereits beschriebenen Recorder mitgeschnitten.
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Kongress-Saal München:
17. August 1972 /
Ausverkauft 6.000 Zuschauer

Meet the
Spirit / You know, You Know - 23:41 Minuten
Mit einem klagenden, jaulenden Ton aus John Mclauhlin's Gitarre begann das Konzert. Wild
und konturenlos stimmten die anderen sofort ein und peischten gleich zu Beginn Ihre
musikalischen Vorstellungen in die Halle. Anfangs klang es wie das Warmspielen eines
Synfonieorchesters, wenn die in feines Tuch gehüllten Musiker
prüften, ob Ihre Instrumente immer noch fähig waren, Töne von sich zu geben
, aber schon nach wenigen Augenblicken
mischte sich ungeheure Agressivität und Vitalität in die Töne. Was anfang's einem Brei aus Tönen
glich, bekam langsam Konturen. Der erste Break. Exakt und präzise wird er
von allen getroffen. Kurze Pause. Erneut stimmen alle scheinbar ohne Konzept
und Rhytmus diesen, einer Meeresbrandung ähnelnden, Sound an. Jetzt setzte Jerry Goodman
Akzente. Rauh und fordernd fetzte der messerscharfe Klang seiner Geige durch die Halle.
Chaotisch und immer aufbegehrender wurden die Instrumente malträtiert. Wieder ein Break.
Traumwandlerisch sicher getroffen in diesem Inferno. Und noch einmal beginnt dieser Ritt.
Jan Hammer jagt die schrillen Töne seines E-Pianos hinaus, als wolle er
die Halle zerfetzen. Billy Cobham rührt auf seinen
Toms wie bessesen. Der dritte Break. Langsam verebbt dieser Sturm der Töne.
Die Spannung läßt etwas nach.
Ein kurzer Moment der Stille. Aus der Tiefe des Raumes erklingt McLauglins getragener
Gitarrenriff, mir der Sehsucht nach Ferne und tiefem Frieden behaftet. Cobham
steigt mit einem wohldosierten Wirbel, allerdings rhytmisch sehr vertrakt,
ein in diese musikalische Reise, gefolgt von Rick Laird. So schweben Sie einen Moment dahin bis
ein atemberaubender Wirbel Cobhams über die gesamte Palette seiner Toms
das Thema im getragenen 5/4 Takt einleitet, in das auch Hammer und Goodman einstimmen.
Grimmig und doch seltsam träumerisch wird das Thema vorgetragen. Diese Maschinerie
aus höchster kreativer Substanz kommt jetzt in Gang. Schon jetzt ist zu spüren,
daß dies ein außergewöhliches Konzert wird. Wie eine gewaltige stampfende Dampflok, die sich
in der Ferne der innerasiatischen Steppe verliert, wird das Thema vergetragen, bis es
endgültig verstummt.
Welch eine Dynamik. Kaum mehr zu hören ist die Improvisation, die jetzt
Mclaughlin mit Cobham entwickelt, nur in regelmäßigen Abständen unterstützt von Rick Lairds
dumpf und schnörkellos vorgetragenen Bassriffs. Das eigene Herz höre ich schlagen, so
zerbrechlich und sensibel werden diese Variationen von Mclaughlin vorgetragen.
Und Cobham, dieser Powerdrummer aus Panama, mit den Oberarmen wie ein Preisringer,
diese Ausgeburt an Kraft und Vitalität, wie sensibel bearbeitet er sein Drumset.
Und wieder einer dieser Bassriffs, dessen tiefe Frequenzen sich durch die eigenen Mageneingeweide
zwängen. Die Variation Mclaughlins erhält jetzt mehr Dynamik. Cobhams Stil wird fordernder.
Zu lange hat er schon darauf gewartet, seine Kraft endlich ausspielen zu können.
Goodman zupft zwischen die Pausen von Mclaughlins "Variationen über ein Thema" einzelne Akkorde
hinein, die Jan Hammer seinerseits zu rhythmischen, scharf phrasierten Akkordeinlagen animieren. Welch ein Zusammenspiel.
Die kurzen Pausen John's sind gar keine Pausen, sondern dienen dazu, die Geige und das
Keyboard mit einzubeziehen in dieses Wechselspiel der Ideen, um gemeinsam immer höher zu steigen
und einzutauchen in die ideelle Welt der Musik.
Wieder ein aberwitziger Riff von McLaughlin. Cobham kümmert sich nicht mehr um den Rhythmus,
sondern versucht diese Klangfiguren auf seinem Set nachzuvollziehen. Immer neue Variationen
auf John's Gitarre - und Cobham immer auf seiner Spur. Die Tonlage wird höher und das
Thema immer aggressiver gespielt. Die Gitarre jault und stöhnt, so wird sie von John
malträtiert. Immer höher schrauben sie sich. Eine kurze kreative Pause John's wird sofort
mit hämmernden Akkorden Jan Hammer's beantwortet. Nur kurz stockt diese musikalische Reise,
um dann mit umso größerer Wucht wieder aufgenommen zu werden. Das anfängliche Improvisationsthema
ist nicht mehr zu erkennen. Zu weit ging die Reise schon, zuviel ist passiert in diesen
kurzen Augenblicken. Aus Jan Hammers Akkorden werden seinerseits Melodiebögen, die McLaughlinn
zu immer neuen Variationen animieren. Wie ein Berserker wühlt Cobham auf seinem
Set. Jeder Teil seines Drumkits wird benutzt. Seine Drumsticks fliegen blitzartig durch die Luft,
so schnell, daß nur noch die Umrisse erkennbar sind. Und er grinst jetzt.
Immer, wenn das letzte von ihm gefordert wird, wenn die Einfälle seiner Kollegen
ihm das letzte abverlangen, beginnt er zu grinsen. Er grinst über sich selber, oder vielmehr
über dieses Etwas, daß Ihn zu seinem Spiel trieb, ihn dazu trieb die kompliziertesten
Einfälle aufzunehmen und seinerseits weiter zu entwickeln, um schließlich mit seiner brachialen
Gewalt selber das Zepter in die Hand zu nehmen und dem Thema eine neue Richtung zu verleihen.
Aber wo war jetzt noch die Eins, der Anfang eines Taktes ? Warum zerfiel dieses
musikalische Gebäude nicht
in seine Einzelteile. Woher mußten diese 5 Irren auf der Bühne
noch, wo der Takt war. ?? Aber da war ja noch Rick Laird.
Stoisch, einer Statue gleich stand er da, mit seiner ausdruckslosen Mimik, fast teilnahmslos
dem Geschehen beiwohnend um seine sparsamen Basslinien in den Saal zu dröhnen.
Der gute Rick Laird. Was wurde alles über Ihn geschrieben. Er sei nicht kreativ genug.
Er würde nicht zu den anderen Musikern passen. Jack Bruce würde doch viel besser passen.
Alles Schwachsinn, Rick Laird war genau der richtige.
Ohne Ihn wäre dieses Projekt nie möglich geworden.
Er war der einzige, der das musikalische Grundgerüst bildete, auf dem
die anderen zu Ihren musikalschen Abenteuern aufbauen konnten.
Billy Cobham war in dieser Hinsicht zeitweise ein Totalausfall. Wenn er den anderen auf Ihren
Exkursionen folgte und nur noch vereinzelt den Rhythmus dezent andeutete, weil seine übergroße
Spiellaune
und Kreativität ihn seine Aufgabe vergessen ließ,
wenn sie sich für kurze Zeit
verirrten, in Ihren vertrakten musikalischen Ausflügen und nicht mehr wußten wo sie sich
befanden - da gab es noch Rick Laird. Der wußte genau, was gespielt wurde.
Aber er spielte nicht einfach seine Riffs nur so runter.
Er war genau im Bilde über die Ausflüge seiner Mitspieler, die manchmal
in Gefahr gerieten, abzustürzen aus Ihren Wolken in denen Sie sich befanden,
die ein musikalisches Desaster in Kauf nahmen um den Preis der totalen Kreativität willen,
die Gefahr liefen, daß dieses filigrane musikalsche Gebilde vielleicht in sich zusammenstürzte
und
nur noch Platz für das totale Chaos ließ - Rick Laird spürte genau, was passierte.
Aber er wußte, daß einer eben die Basis bilden mußte, auf dem die anderen aufbauen konnten.
Meinen Dank an den scheinbar unscheinbaren Rick Laird, der gerade durch sein
sich Zurücknehmen den Boden bildete für dieses musikalisch Feuerwerk.
Jaulend wie eine Furie leitet McLauglin das musikalische Hauptthema ein, daß
sofort von den anderen aufgenommen wird um es gemeinsam,
in einer fast unerträglichen Dynamik, in den Saal zu fetzen. Die Sinne schmerzen.
Jetzt wird es zuviel. Ein Moment des Verharrens wäre angebracht. Die Gedanken, die durch das Hirn
Amok laufen etwas beruhigen, den Puls wieder auf normale Frequenz bringen und Klarheit
bekommen darüber, was da auf der Bühne eigentlich passiert.
Endlich naht der Eingangsbreak. Diese chaotische Ansammlung von Tönen ohne Stukturen.
Ein bißchen Zeit zum verschnaufen. Aber die Musiker haben Mühe, dieses erstmal
in Gang gebrachte musikalische Gefährt zum stehen zu bringen. Die ersten
beiden chaotischen Breaks geraten seltsam flüssig und stehen noch unter dem gewaltigen Eindruck
der vorangegangen 4 minütigen Exkursion. Nur mühsam gelingt es Ihnen, die vorangegangenen
Eindrücke aus ihrem Hirn zu verbannen. Wie ein bockiges Pferd, das seinen Reiter loswerden
will, so klang der zweite Break. Endlich, zu Beginn des dritten Breaks hatten Sie Ihre
Linie gefunden. Das Chaos herrschte wieder, um den Boden zu bereiten für neue
Höhenflüge.
Der Sturm verlor sich wieder in der Ferne, um McLaughlins getragenen Riff Platz zu machen,
der nach einigen Augenblicken dem Sturm folgte, sich ganz allmählich in der Weite verlor
und schließlich vollständig erstarb in dieser
vollbesetzten Halle, in der die Bühne in dunkles rotes Licht getaucht wurde.
Für kurze Zeit herrschte absolute Stille. Nichts war mehr zu hören, außer den eigenen Gedanken,
die sich freuten über diese kurze Zeit der Besinnung.
Zögernd, sanft und voller Liebreiz erklangen die ersten Harmonien aus Jan Hammer's E-Piano.
Behutsam tastete er sich vorwärts. Zaghaft entwickelte er ein Thema, daß an ein Kinderlied
erinnerte.
Sanfte Melodiebögen säuselten in den Äther, vor dem ich gebannt saß. Ganz unmerklich variierte
er das Thema zu einem zart dahinschwebenden Walzer. Vögel zwitscherten an einem
warmen Frühlingstag. Etwas forschere Töne mischten sich hinein. Der Teppich der Snare-Drum
Cobham's begann wieder zu rascheln. Vorbote für seine Einsatz.
Noch einen letzten Moment diese Ruhe und diesen Frieden geniessen, bevor es in die
zweite Runde geht.
Jan's Melodiebögen werden jetzt aufbegehrender, was für Cobham ein
Zeichen ist, mit einem sanften, aber rhythmisch vertrakten Wirbel die noch balladenartig
wirkenden Kreationen Jan's nach vorne zu treiben.
Und da ist auch wieder Rick Laird. Fast unmerklich betritt er die musikalische Bühne
um mit seinen Basslinien dumpf
wabernd den Boden zu bereiten.
Jan unterbricht immer öfter diese losgelöste, süßliche Melodie mit glasklaren Triolen, die sich
immer höher schrauben. Die letzte Triole will gar nicht mehr enden,
so als ob sie sich verselbstständigen wollte, immer schärfer wird Ihr Klang,
immer höher schraubt sie sich und Jan Hammer beginnt sich immer tiefer
über sein E-Piano zu beugen, seine Haare hängen Ihm in's Gesicht, um hineinzukriechen in diesen
Kasten, aus dem er immer agressivere
und härtere Triolen hervorzaubert und seine Hände wirbeln über die Tasten die er immer wütender
, fast besessen, bearbeitet bis sie schließlich wie ein Vulkan aus Ihm herausbrechen
durch sein Medium , das E-Piano -
messerscharfe,
glasklare,
die Luft zerschneidende
Triolen. Cobham's Break war genau getimt,
genauso scharf und präzise
gespielt und traf, zusammen mit Jan genau den Punkt. Welche Vorsehung hatte ihm den Hinweis
gegeben, wo dieser Punkt sich befand ? McLauhlin beteiligte sich wieder an dem Geschehen,
streute vereinzelte Akkorde in den Saal während Goodman verhalten,
den Kopf trämerisch an seine Geige geschmiegt, an den Saiten seines Imstrumentes zupfte, .
Der Zug setzte sich langsam wieder in Bewegung. Für einen kurzen Moment wurde
die Lautstärke reduziert, das Tempo herausgenommen um anzusetzen zum Sprung,
- doch was geschah da ? -
Urplötzlich hatte Jan Hammer den Rhytmus gewechselt, mitten hinein in diesen
rollenden Zug, auf den er nur hätte aufspringen müssen, aber er wollte noch nicht.
Weiß der Teufel, was Ihn ritt aber er spielte, mitten hinein in diesen komplizierten 5/4
Takt, der schon eine ungeheure Wucht und Dynamik angenommen hatte, mitten in diesen
immer schneller hahinrasenden Zug, der kaum noch aufzuhalten war auf seiner Reise -
da hinein spielte Jan Hammer einen Walzer.
Für Sekundenbruchteile schien das ganze musikalische Gerüst zusammenzubrechen, was bei dieser
komplexen musikalischen Struktur unweigerlich einen Neuanfang bedeutet hätte. Sie hätten
das ganze Stück von vorne beginnen müssen. Da gab es kein Entrinnen. Nie und nimmer
hätten sie nach einem, egal wie kurzen Bruch dieser musikalischen Reise,
das Stück einfach fortsetzen können. Ausichtslos - zu weit waren sie vorangekommen.
Keinen Liedschlag länger hätte die Reaktionszeit Rick Lairds dauern dürfen,
der als erster diese schon absurd zu nennende Wendung des Stückes begriff.
Der gute Rick Laird - er hatte es als erster geschnallt. Weit geöffnete
Augen voll ungläubigen Erstaunens bei den anderen. Cobham verlor fast seine Brille.
Endlich hatten sie diese Wendung ins fast schon Komödiantische begriffen und
spielten und begleiteten, noch etwas wackelig zwar, diesen Ausflug nach Wien, mit seinen
Fiakern, der weinseligen Gemütlichkeit und der blauen Donau. Doch gerade durch die aberwitzige Zurücknahme
des Tempos wurde eine ungeheure Spannung aufgebaut, die nach Erfüllung lechzte.
Und richtig - der Spuk war nach wenigen Augenblicken schon wieder vorbei.
Sie setzten diese dahinjagende Reise fort, aber mit welcher Härte. Es klang
wie ein Befreiungsschlag. Befreit von dieser Walzereinlage setzte Cobham seinen
Becken derartig zu, daß sie Gefahr liefen zu zerspringen. Goodman jagte
hinterher mit schrillen, sich aufbäumenden Geigenfills.
Wieder eine gläsern harte Triole von Hammer, die transparent und geisterhaft
durch den Saal jagte, die immer höher stieg, dem Zenit
entgegen, verfolgt von Cobham der mit einer schon bessesen nennenden
Power und Dynamik auf sein Drumset einhieb, als wollte er es zerstören,
und dabei befreit auflächelte,
und Jammer immer weiter trieb dem was auch immer entgegen. Variation auf
Variation - und Cobham
begeleitete nicht nur, sondern setzte völlig neue Akzente, begann seine Breaks mitten in
Hammers Variationen hinein, endete dort wo kein Mensch der Welt geendet hätte,
zog das Tempo in die Länge, beschleunigte, spielte ungerade Rhythmen über ein
gerades Thema und wußte doch wo er sich befand. Nichts war mehr Zufall.
Jetzt konnten sie spielen was sie wollten - alles würde gelingen. Und sie spielten
was sie wollten. Cobham's Doppel-Bassdrums setzten sich in Bewegung
und mahlten diesen tragenden Klangteppich hinaus, auf dem die anderen
mitgenommen wurden dem Geist entgegen.
Meet the Spirit / Entdecke den Geist.
Sie hatten ihn gefunden und genossen noch kurze Zeit dieses schwerelose Dahinschweben zwischen
den Welten, ehe ein klagender, ziehender Akkord von Hammer das nahe Ende ankündigte.
Der Tod ist immer dabei.
Wie ein Faustschlag ins Gesicht brachte mich der Eingangsbreak wieder zurück auf den
Boden. Wo war ich ?
Das Mahavishnu Orchestra hatte mit den selben Problemen zu kämpfen, denn diese
musikalische Karawane war kaum mehr zum Halten zu bringen. Wie flüssig dieser eigentlich
chaotisch und wirr klingende Klangteppich doch daherkam.
Nur mühsam ließ sich der einmal aus der Flasche gelassene Geist wieder zurückzwingen
in die enge Flasche.
Der dritte Break beinhaltete wieder das für einen Neuaufbau notwendige
Chaos. Der Spuk des Spirits wurde vertrieben aus der Münchner Olypiahalle.
Fern, ganz fern noch erklang wieder dieser von der Welt losgelöste tragende
Gitarrenriff Mclaughlins und leitete den dritten Teil ein.
Sanfte Akkorde von Jan bedeuteten Cobham, sich an dem Stück wieder zu beteiligen.
Ein scharf akzentuierter Wirbel, kontrastierend zum nicht ganz echten Liebreiz der Stimmung,
verscheuchte diesen fast schon lähmenden Mehltau, der sich über alles zu legen drohte
um es zu ersticken durch seine zähe klebrige Masse.
Meet the Spirit - sie hatten ihn getroffen. Was sollte das alles jetzt noch.
Jetzt mußte Jerry Goodman kommen - der Teufelsgeiger. Dieser Name wird sehr oft vergeben.
Aber nur wenige verdienen ihn wirklich. Nur wer an die Grenzen des
Möglichen geht und das Wagnis in Kauf nimmt, sich wirklich einmal auf seiner Reise zu weit
vorzuwagen und wirklich Gefahr läuft dem Teufel in die Hände zu fallen, sollte
diesen Namen tragen dürfen. Der Treffen mit dem Teufel war die Mutprobe, die es zu bestehen galt.
Die Rhythmusmaschine setzte sich wieder in Gang und mitten hinein -
als wollte er den Leibhaftigen verjagen bis ans Ende des Universums - dieser dreckig
krächzende, alles zersägende Einsatz der Geige. Welches Instrument ist besser geeignet,
solche wie aus der Unterwelt kommende Töne zu kreieren, als die Geige.
Vorbei die wehmütige Nostalgie, den Spirit wieder loslassen zu müssen,
ihn vielleicht nie mehr zu treffen, nur noch mit der Erinnerung an ihn leben zu müssen.
Dieser dreckige Riff der Geige fegte alles beiseite. Und sofort war klar.
Es gab kein langsames Abheben mehr. Jerry Goodman wollte es wissen und zwar sofort.
Er forderte ihn heraus. Er wollte beweisen, daß er seinen namen zu Recht trug -
der Teufelsgeiger.
Cobham's gerunzelte Stirn ließ darauf schließen, daß er sofort begriffen hatte
, daß es kein größeres Vorspiel mehr geben würde. Ein erster noch nicht mit aller Kaft gespielter
Wirbel Cobham's gab Goodman noch mehr Schub. Goodman ging leicht in die Knie, zog und
zerrte mit dem Bogen über seine Geige, aus der immer wütendere Töne hervorquollen.
Wieder ein Wirbel Cobham's über seine Toms, diesmal schon mit mehr Kraft gespielt.
Jan Hammer fügte einen seiner metallenen Akkorde hinzu, die McLaughlin mit einer Triole,
in einem Tempo gespielt, daß einem der Mund offen stehen blieb, beantwortete was
Goodman nur noch mehr in Rage brachte und er jetzt schon fast in die Hocke ging um
noch härtere Töne seiner Geige zu entlocken. Jetzt jagte er abgehackte, stakkatoartige
Klangfetzen hinaus in das Universum, die Cobham sofort mit einem Wirbel, mit aller
Kraft über sein ganzes Set gespielt, beantwortete um Goodman immer weiter hinaus zu treiben,
der sich jetzt versunken in seine Geige um sich selber zu drehen begann, seine langen Haare
wirbelten um seine Kopf herum, der sich immer schneller zu drehen begann, was Cobham dazu trieb
sein Set mit den aberwitzigsten Wirbeln zu quälen, er wirbelte nur noch die Toms rauf und runter
in einer unglaublichen Geschwindigkeit, nur noch die Schemen seiner Bewegungen warten sichtbar,
Generationen von Drummern würden darüber rätseln wie er das nur gemacht hat, aber das war
kein Selbstzweck sondern diente nur dazu, Goodman den endgültigen Kick zu geben, den er brauchte
um seine schrill und kreischend höherstrebenden Klangfiguren dem finalen Höhepunkt zuzutreiben
, den er jetzt mit einer klagenden wehmütigen Komposition endgültig erreicht hatte.
Völlig geschafft atmete ich erst einmal tief durch. Die Musiker kamen wieder herunter
von Ihrem Trip und lockten spielerische Figuren zum ausklingen aus ihren Instrumenten hervor.
Es wurde besinnlich, und erinnerte etwas an Jan Hammers Kinderliedsequenz aus dem 2. Teil.
So plätscherte das Stück seinem Ende zu, bis zu dem Zeitpunkt, als McLaughlin
dieser Einfall, woher er kam bleibt Ihm wohl selber ein Rätsel, überfiel,
mitten in dieses leise verklingende Stück diesen Gitarrenlauf zu setzen, diesen einen Lauf nur,
der den ganzen zart ausklingenden Verlauf auf den Kopf stellen sollte
- dieser Geniestreich
McLaughlins -
dessen Solos mir trotz der ungeheuren technischen
Perfektion seltsam fremd blieben - der mit seiner Eingebung all meine Skepsis hinwegfegte
und den Stück noch einmal eine völlig neue Wendung gab und Goodman noch einmal zwang
den Teufel zu suchen und sich ihm zu stellen, der jetzt abhob, oder gezwungen wurde abzuheben
und sich tonal durch seine Geige in die Höhe schraubte, immer höher hinauf die Leiter,
die Töne begannen zu schmerzen, die Melodie klagte und litt und verströmte sich
über die Vergänglichkeit der Welt, über die Wehmut, daß alles vielleicht total sinnlos war,
sogar dieses Solo welches er spielte völlig belanglos an der Welt vorbeigehen würde und
sinnlos vom Universum verschlickt würde - es war genug, höher hinauf ging es nicht mehr.
Sie waren noch einmal da gewesen; vielleicht zum letzten Mal in
Ihrem vergänglichen Leben
Endlich, endlich erklangen die ersten Basslinien zum zweiten Teil des Stückes you know/you know.
Wie eine Erlösung erschienen mir diese erdigen Basslinien nach diesem Höllentripp.
Dieses taktmäßig ungerade Thema über 17 Takte mit dem immer wiederkehrenden Grundmuster
übte eine beruhigende Wirkung aus. Die Luft war jetzt raus, das war klar.
Was sollte jetzt auch noch passieren nach diesem Spektakel. Ruhig und erdig
würde das Grundmuster vorgetragen, über das Jan Hammer nach der vorangegangenen
Tortour angenehm verhalten improvisierte, sich allmählich steigerte,
mehr Dynamik hineinbrachte, Billy Cobham noch einmal dazu brachte fast
unspielbare Hand/Fuß-Kombinationen vorzutragen, aus seinem E-Piano Töne hervorzauberte,
die an ein wild wieherndes, durchgehendes Pferd erinnerte.
Und Jerry Goodman würde auf seiner Geige eine krächzende irische Ballde einstreuen,
die das Publikum dazu brachte einige Takte mitzuklatschen, bis zum nächsten Break, den
die Applaudierer nicht trafen und jedermann klar wurde, daß die 5 auf der Bühne ihre eigene
Zeitmessung hatten, daß nur sie selber noch den Puls Ihrer Musik richtig verstanden und
auch Jerry würde noch einmal den Bullen reiten wollen und würde wie ein Rodeoreiter
auf einem wild davonstiebenden und nach hinten ausschlagenden Wildpferd versuchen,
irgend etwas längst vergessenes wieder einzufangen was er vielleicht nie mehr finden würde.
Und Rick Laird - der gute Rick Laird - stoisch wie ein Indianer bei der Nachtwache am Totenbett
seines Vaters würde erdern seine Bassriffs spielen, auf dessen Boden den anderen ihre Höhenflüge
erst möglich gemacht wurden.
Und McLaughlin würde noch Minuten nach seinem Geniestreich darüber nachdenken, wie er das
nur gemacht hatte.
Und schließlich Billy Cobham, er würde etwas müder werden nach dieser auch körperlichen
Tortour die er durchlitt, während er übermenschlich, vor Schweiß glänzend diese
ungeheuerlichen Sachen spielte, über die noch Jahre später gesprochen werden würde.
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Das vorgestellte Konzert ist bei mir gegen einen Unkostenbeitrag erhältlich.
Die Musikcassette kostet DM 15,- und die CD kostet DM 20,-. Die Versandkosten sind darin
enthalten.
Die Akustik dieser Aufnahme ist, obwohl 1972 mit einem primitiven Recorder aus dem Radio
aufgenommen, hervorragend. Dafür bedanke ich mich an dieser Stelle bei
aus Kronberg.
Er ist ein ganz ausgebuffter Tontechniker in einem Tonstudio. Er verstand es, Frequenzen,
die nie vorhanden waren oder im Laufe der Jahre in meinem Kellerloch auf Nimmerwiedersehen
verschwanden, neu zu berechnen und der Aufnahme hinzuzufügen.
Dafür hat er zahlreiche Feierabende geopfert und sich ein paar graue Haare hinzu
getüftelt, wie er selbst einmal meinte. Seine Frau war, obwohl Sie manchen Abend alleine
verbringen mußte, sehr verständnisvoll.
Christofer hat es geschafft, daß Sie beim Hören den Eindruck haben, es handelt
sich bei dieser CD/MC um eine proffesionelle Aufnahme
aus den frühen 80-er Jahren.
Interesse ????
Zur ersten Kontaktaufnahme senden Sie mir bitte ein
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