Wer sich mit dem Nordirland-Konflikt beschäftigen will, kommt nicht an der Geschichte der Insel Irland vorbei, da der Konflikt ein Resultat der Geschichte der gesamten Insel ist und nicht nur des kleinen nordirischen Teils. Daher haben auch wir uns nicht nur mit dem Konflikt, sondern auch mit der Vorgeschichte der Insel seit dem Einfall der Briten beschäftigt. Wir haben den geschichtlichen Verlauf des Konflikts in drei Stationen unterteilt. Die erste beginnt mit dem Einfall der Normannen im Jahre 1169, der zweite mit den Beginn des eigentlichen Terrors in Nordirland und die dritte Station beschreibt den aktuellen Verlauf seit 1997. Außerdem haben wir auch den Text des Friedensabkommen mit in unsere Arbeit einbezogen, da dieser die Chancen Nordirlands in der Zukunft wiederspiegelt.
Irland besteht aus zwei Teilen: Nordirland und der Republik Irland. Im kleineren, zu Großbritannien gehörigen Norden (Nordirland/Ulster), der aus den sechs überwiegend protestantischen Grafschaften Derry (Londenderry), Antrim, Down, Tyrone, Fermanagh und Armagh besteht, bewohnen 1663000 Einwohner eine Fläche von 13576 km˛. Der unabhängige Süden (Republik Irland/Eire), der aus den übrigen 26 überwiegend katholischen Grafschaften besteht, mit einer Fläche von 70273 km˛ wird von 3626000 Einwohnern bewohnt. Im Norden bilden die Protestanten mit 50% der Einwohner die Mehrheit, nur etwa 28% der Bevölkerung sind katholisch. Im Süden ist die Anzahl der Katholiken mit etwa 90% um einiges höher. Es leben nur etwa 5% Protestanten in diesem Teil.
Der Konflikt in Nordirland wird sowohl auf politischer Ebene, als auch mit Mittel von Gewalt ausgetragen. So gibt es auf beiden Seiten verschiedene Gruppierungen, die mit ihren spezifischen Mitteln versuchen die eigenen Interessen durchzusetzen. Das reicht von politischen Parteien bis hin zu gewalttätigen Terrororganisationen. So stehen auf der Seite des Katholischen Eire die Irische Untergrundorganisation IRA (Irish Republican Army) und deren politischer Arm, die Sinn Fein Partei. IRA und Sinn Fein sind sehr eng verbunden. So haben viele prominente Sinn-Fein-Vertreter eine Vergangenheit als IRA-Aktivisten wie zum Beispiel Martin MacGuinness und Gerry Kelly. Die IRA befindet sich jedoch im Zustand des Waffenstillstandes, aber andere katholische Terrororganisationen, oft Splittergruppen der IRA, versuchen die Erfolge der Friedensbemühungen der Sinn Fein zu zerstören. So zum Beispiel die "Wahre IRA", die das Friedensabkommen von 1998 ablehnte, und sich daraufhin von der IRA abspaltete. Die "Wahre IRA" ist nach Informationen der Polizei die bestbewaffnete der aktiven katholischen Untergrundgruppen. Ihre Entschlossenheit zur Gewalt demonstrierte sie zuletzt, als sie Anfang August die Verantwortung für einen Autobombenanschlag in Banbridge südwestlich von Belfast übernahm. Dabei wurden 35 Menschen verletzt. Erstmals öffentlich von sich reden machte die Oktober 97 gegründete "Wahre IRA" am 10. Mai, als sie sich unter dem gälischen IRA-Namen Oglaigh nah Eireann zu einem Granatenanschlag bekannte. So gab es auch im Bereich der Parteien Abspaltungen. Das "Komitee der 32" deren Name auf die ebensovielen Grafschaften der Insel anspielt, spaltete sich von dem politischen Arm der IRA, Sinn Fein, ab, weil es deren Entscheidung, im autonomen nordirischen Parlament mitzuarbeiten, als "totalen Verrat" an dem Ziel einer irischen Autonomie verurteilt. Auf der anderen Seite stehen auf politischer Ebene die UUP (Ulster Unionist Party),die die probritischen Interessen der anglikanischen und evangelischen Bevölkerung Ulsters vertritt und im Bereich der Untergrundorganisationen eine Masse stark fragmentierter, untereinander nicht organisierter kleiner Splittergruppen, wie zum Beispiel die "Red Hand Defenders", die sich zum Mord an der angesehenen und erfolgreichen Anwältin und Bürgerrechtlerin Rosemary Nelson bekannte. Die klinische Präzision des Attentats der "Red Hand Defenders", eines seit etwa einem Jahr bekannten protestantischen Terrorkommandos, steht in krassem Gegensatz zum bisher stümperhaften Umgang der protestantischen Splittergruppen mit Sprengstoff. Im Gegensatz dazu verfügte die IRA über exzellente Kapazitäten im Bereich der Sprengstofftechnik ,von denen jetzt vermutet wird, daß sie zumindest teilweise zur "Real-IRA" übergewechselt sind.
Die Geschichte des Nordirland-Konfliktes beginnt im Jahre 1169
als die Insel Irland von den Anglonormannen unter der Führung
von Graf Richard Pembroke "Strongbow", den der König
von England, Heinrich II., entsandt hatte, erobert wird. Sechs
Jahre später schließen der englische König und der irische
"ard-ri" O´Connor den Vertrag von Windsor. Dieser
sieht vor, daß dem irischen König das Reich Baile Atha Cliath
(Dublin) und die umliegenden Regionen zustünden, während die
normannischen Barone ihre Besitztümer auf der Insel ungehindert
erweitern dürfen. Dies führet dazu, daß bereits 1250 mehr als
zwei Drittel Irlands im Besitz der Normannen war. Da all dies zu
familiären Bindungen und übernahme von bodenständigen
Bräuchen führte, wurde 1366 zum Gesetz von Kilkenny
eingeführt. Dieses verbot die Ehe zwischen Engländern und Iren
genauso wie die Verwendung der irischen Sprache Gälisch.
Ab 1539 beginnt dann die Verfolgung der Katholiken durch die
Protestanten. Klöster werden aufgelöst, katholische
Grundbesitzer zu Gunsten von englischen enteignet. Zwei Jahre
später läßt sich der englische König Heinrich VIII. vom
ersten irischen Parlament als erster König Irlands und Oberhaupt
der irischen Kirche ausrufen. Somit wird die Grundlage für die
irischen Religionskriege geschaffen und jene Spaltung zwischen
Katholiken und Protestanten.
Es folgt eine Zeit in der Königin Elisabeth I. die Vergabe des
beschlagnahmten Landes an protestantische, englische und
schottische Siedler mit großer Entschiedenheit weiterführt. Als
Folge dieser Politik verbünden sich die Adligen aus Ulster mit
Spanien um die Engländer zu schlagen. Hierzu kommt es allerdings
nicht, da die irischen Adligen 1601 in der Schlacht von Kinsale
endgültig geschlagen werden und das Land verlassen müssen.
Diese sogenannte "Flucht der Grafen" findet in den
Jahren 1601-1607 statt.
Als Oliver Cromwell mit seinen Truppen, den
"Eisenköpfen", 1649-52 das katholische Irland mit
totaler Bodenenteignung säubert ist der Widerstandswille der
irischen Bevölkerung erst mal gebrochen. Nachdem Jakob II.
Stuart (katholisch) 1685-88 eine katholische Restauration
versuchte, dies aber nicht schaffte und nach Frankreich fliehen
mußte, führte der englische König Wilhelm III. von Oranien
(protestantisch) in den Jahren 1690-92 mehrere Feldzüge gegen
die katholischen Jakobiner in Irland. Dies endete mit der
Kapitulation von Limerick (1692).
Obwohl die Katholiken unterliegen erlangen sie doch das Recht auf
religiöse Freiheit, jedoch erlangen sie keine politische
Freiheit. Sie dürfen nur mit dem Mutterland England Handel
führen, noch dürfen sie in der Justiz, beim Heer oder in
Lehrtätigkeiten arbeiten. Außerdem bleibt ihre Sprache und ihre
Musik weiterhin verboten.
Diese änderungen führen dazu, das Irland den Status einer
englischen Kolonie erhält. Die Einschränkung des Handels führt
außerdem dazu, daß in den folgenden Jahrzehnten die Wirtschaft
bald vor dem Zusammenbruch steht und die Hungersnot von 1740 tut
ihren Teil noch dazu.
Dies ändert sich in den Jahren 1783 und 1799 als das irische
Parlament die politische Unabhängigkeit erlangt (1783) und die
Handelsfreiheit in Irland wieder hergestellt wird (1799). Die
Zeit der Aufklärung, der Volksaufstände, der amerikanischen
Unabhängigkeit und der Französischen Revolution führt dazu,
das in Irland die Gemüter erhitzt werden. Es entstehen Parteien,
die versuchten die antikatholische Diskriminierung abzuschaffen,
jedoch schlagen versuchte Volksaufstände fehl und 1800 wird das
irische Parlament aufgelöst und Irland von England annektiert.
Die schlimmsten Diskriminierungen der Katholiken endet erst mit
dem Gleichstellungsvertrag von 1829, welcher durch den von Daniel
O´Connell gegründeten Bund, der für die Rechte der Katholiken
kämpft, erlangt wird. Doch bricht 1845 eine Hungersnot aus,
welche mehr als eine Million der Acht-Millionen-Bevölkerung das
Leben kostet. In den folgenden Jahren kommt es dann immer mehr
zur Emigration, hauptsächlich nach Amerika, da die Bevölkerung
dies als einzige mögliche Lösung angesieht. Dies führt dazu,
daß die Bevölkerung bis 1850 auf 4 Millionen schrumpft.
1858 wird die Bewegung Irisch Republican Brotherhood für die
Unabhängigkeit Irlands gegründet, 1870 dann die Gründung der
ersten Unabhängigkeitspartei, der Home Rule Party. Die Anfänge
unseres Jahrhunderts stehen dann im Zeichen der irischen
Unabhängigkeit. Es wird dann im Jahre 1905 die neue
nationalistische-republikanische Bewegung, Sinn Fein (gälisch:
wir selbst), gegründet. Im Jahre 1912 erkennt das englische
Parlament dann die verwaltungsrechtliche Autonomie, Home Rule,
an. Die weiteren Verhandlungen kommen jedoch durch den ersten
Weltkrieg ins stocken. Dies wird durch Aktivisten, die an Sinn
Fein gebunden sind, ausgenutzt, indem sie versuchen eine Revolte
anzuzetteln. Zu diesem Zweck besetzen sie Ostern 1916 das Postamt
in Dublin und rufen eine Provisorische Regierung Irlands aus.
Dieser Aufstand wird jedoch durch britische Truppen
niedergeschlagen und die Anführer hingerichtet.
Bei den Wahlen 1918 gewinnt Sinn Fein, weigert sich jedoch im
Londoner Parlament zu sitzen und gründet 1919 eine irische
Volksvertretung in Dublin, die Dail Eireann. Nach zwei Jahren
Unabhängigkeitskrieg, irischerseits besonders durch die Irish
Republican Army (IRA) getragen, erkennt England 1921 die
Unabhängigkeit Irlands an.
Es kommt jedoch zur Teilung des Landes (anglo-irischer Vertrag).
Die 26 katholischen Grafschaften werden zum Freistaat Irland, die
sechs Grafschaften im Norden mit überwiegend protestantischer
Bevölkerung bleibt aber weiterhin Teil des Vereinigten
Königreichs. Durch diese Teilung kommt es zu Differenzen in der
Sinn Fein und sie teilt sich in Fine Gael ("Familie der
Iren"), Befürworter des anglo-irischen Vertages, und Fianna
Fail ("Schicksalskameraden"), Vertragsgegner. Dieser
Trennung gingen gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen irischer
Regierung und Gegnern des Vertrages in den Jahren 1922/23 voraus,
welche von der Regierung allerdings gewonnen wurden.
Nach dem Wahlsieg der Fine Gael über die Fianna Fail im Jahre
1932 trat 1937 eine neue Verfassung in Kraft, die Irland zu einem
souveränen, unabhängigen, demokratischen Staat mit dem
amtlichen Namen "Eire" erklärte. Später 1949 wird
dann die Republik Irland ausgerufen, gleichzeitig tritt Irland
aus dem Commonwealth aus und tritt 1973 in die Europäische
Gemeinschaft ein.
Die Probleme im Norden beginnen jedoch mit der Trennung erst
richtig, da der katholische Minderheit (etwa 28% der
Bevölkerung) Ulsters lange keine Zeit praktisch keine
Zugeständnisse von der englischen Regierung gewährt wird. Die
Katholiken werden bei Wahlen, bei der Zustimmung von Wohnungen
und Arbeitsstellen und bei der Ausbildung diskriminiert. Darauf
beruht die eigentliche Ursache des Konflikts. Die IRA setzte sich
in den 50er und 60er Jahren für die Rechte der Katholiken ein.
Der eigentliche Terrorismus beginnt aber erst ab 1969.
1969 beginnt die Zeit des Terrors in Nordirland.
Es beginnt im August mit blutigen Auseinandersetzungen in der
Stadt Derry (Londenderry) in der Grafschaft Derry (Londenderry).
Hiernach kommt es zu Truppenbewegungen bei der britischen Armee.
Es weder Soldaten in Nordirland stationiert. Diese werden von der
katholischen Minderheit als "Besatzungsmacht" angesehen
und verurteilt. Im darauf folgenden Jahr wird dann die IRA wieder
in Leben gerufen.
Demonstrationen der Katholiken werden in den folgenden Jahren
immer wieder von der britischen "Besatzungsmacht" mit
Gewalt zerschlagen. Es kommt immer zu Terroraktionen, sowohl von
protestantische, als auch von katholischer Seite. So werden
beispielsweise am 4. Dezember 1971 in Belfast bei einem
Bombenanschlag protestantischer Milizen 15 Menschen getötet.
Ihren Höhepunkt finden diese Aktionen am 30. Januar 1972, dem
sogenannten "Bloody Sunday (ra)",
als englische Truppen und Spezialeinheiten der englischen Armee
versuchen einen katholischen Protestmarsch in Derry (Londenderry)
aufzulösen, dabei in die Menge schießen und 14 Personen schwer
verletzen und 13 weitere töten. Zu diesem Protestmarsch hatte
die Bürgerrechtsbewegung NICRA (Northern Ireland Civil Rights
Association) aufgerufen um gegen die Internierungen ohne
Gerichtsverhandlung (Beschluß der nordirischen Regierung (mit
Genehmigung der englischen Regierung) vom 9.8.1971) zu
demonstrieren. Die Meinungen zu diesem Zwischenfall gingen weit
auseinander und es wurde einen Untersuchungsausschuß bzw. Lord
Widgery um die Vorfälle zu klären, da es zwei Versionen des
"Bloody Sundays (ra)" gab, die
katholische Seite behauptete, daß die englischen Truppen wahllos
in die Menge gefeuert hätten, die britische Seite dagegen sagte,
daß ihre Truppen das Feuer bloß erwidert hätten. Lord Widgery
kam zu der überzeugung, daß die englischen Truppen in Notwehr
gehandelt hätten. Die hierfür wichtigen Beweise konnte jedoch
nur er einsehen, da sie unter Verschluß gehalten wurden. Es kam
zu keinerlei Verhandlungen gegen die Soldaten, die an diesem
Sonntag im Januar in die Menge gefeuert hatten. Erst im Jahre 25
Jahre später bewirkte ein Anwalt der "Bloody
Sunday (ra) Trust", einer allgemeinnützigen Organisation,
daß diese Akten zugänglich gemacht wurden. Es kam heraus, daß
die englischen Truppen ohne Grund geschossen hatten. Es wurde auf
weitere Aufklärung und die öffentliche Kritisierung des
Widgery-Berichts gedrängt. Hierzu kam es jedoch bis jetzt nicht.
In den Jahren nach dem "Bloody Sunday (ra)"
kam es auf Grund des von Widgery veröffentlichten Berichts zu
vermehrten Anschlägen der IRA und der protestantischen
Paramilizen. Allein im Jahre 1972 sterben 474 Menschen an den
Folgen der Terroraktionen. Eine weitere Folge des Bloody Sundays (ra) ist die Auflösung des
nordirischen Regionalparlaments und die Unterstellung Nordirlands
unter die Direktverwaltung Großbritanniens. Bei weiteren
Terroraktionen stirbt 1979 mit Lord Mountbatten das erste
Mitglied der Königsfamilie. Im Jahre 1985 wird der Republik
Irland erstmals das Recht auf Beobachtung der Nordirlandfrage
eingeräumt.
Seit Beginn der 90er Jahre wird immer mehr auf den Frieden
gesetzt. So kommt es in den Jahren 1991-92 zu Gesprächen
zwischen protestantischen Gruppen und Vertretern der nordirischen
Regierung. Diese Gespräche enden jedoch ergebnislos, da keine
katholischen Gruppen noch nicht mal die Sinn Fein an diesen
Gesprächen beteiligt sind. Er seit den Jahren 1993-94 beginnt
der Frieden in Nordirland Wirklichkeit zu werden. Es kommt zu
Gesprächen zwischen Vertretern der IRA, Sinn Fein und der
britischen Regierung. Bei diesen Gesprächen werden die
Rahmenbedingungen für einen Frieden festgelegt. In den Monaten
August und Oktober 1994 verkünden dann die IRA und
protestantische Milizen eine Waffenruhe an. Es kommt zu weiteren
Gesprächen auch zwischen England und Irland, bei denen Irland im
Februar 1995 seinen Anspruch auf Nordirland aufgibt. Hiernach
kommt zu Verhandlungen über einen Friedensvertrag, welche jedoch
durch einen Bruch des Waffenstillstand durch die IRA im Februar
1996 unterbrochen werden. Sie werden im Juni wieder aufgenommen,
jedoch mit Ausschluß der Sinn Fein.
Der Konflikt in Nordirland ist auch nach seiner langen Dauer
längst nicht gelöst. Aber in den letzten Jahren lassen sich bei
beiden Konfliktparteien Tendenzen zum Gewaltverzicht und der
Wunsch den Konflikt politisch zu lösen, erkennen. Im Mai 1997
bat der neugewählte britische Premierminister Tony Blair der
Sinn Fein neue Kontakte an. Ein erstes Treffen fand am 21. Mai
statt. Als die IRA im Juni zwei Polizisten erschoß, wurde der
Dialog jedoch wieder abgebrochen. noch im selben Monat schlug
Blair vor, im September parallel zur Entwaffnung der Milizen mit
Friedensgesprächen zu beginnen. Die Sinn Fein durfte teilnehmen,
falls die IRA eine Waffenruhe verkündet und diese sechs Wochen
lang einhält. am 20. Juli trat die neue Waffenruhe der IRA in
Kraft. Mitte September begannen die Friedensgespräche mit
Beteiligung der Sinn Fein. Am 10 April 1998 einigten sich die
Verhandlungspartner auf ein Abkommen, über das Ende Mai bei
Referenden abgestimmt wurde. Es sieht die Errichtung einer
unabhängigen Nordirischen Regierung unter Beteiligung
Politischer Parteien aller Konfliktgruppen vor. Der Chef der
künftigen nordirischen Regierung, David Trimble, und der
Präsident der pro-irischen Partei Sinn Fein, Gerry Adams, trafen
im April 1999 in Washington zusammen, um über die Umsetzung des
vor einem Jahr geschlossenen Friedensabkommens für Nordirland zu
beraten. Die Politiker kamen anläßlich des irischen
Nationalfeiertages St. Patrick's Day auf Einladung des
US-Präsidenten Bill Clinton nach Washington.
Die Umsetzung des Nordirlandvertrages wird durch einen Streit um
die Abgabe der Waffen der pro-irischen Untergrundorganisation IRA
behindert. Trimble verlangte die Waffenabgabe, bevor sich die
IRA-Partei Sinn Fein an der Nordirlandregierung beteiligt. Adams
vertritt die Ansicht, in dem Abkommen sei die Waffenabgabe nicht
als Vorbedingung für die Regierungsbeteiligung der Sinn Fein
genannt worden.
Diplomaten erwarteten zwar keinen Durchbruch in dieser Frage bei
dem Treffen im Weißen Haus. Sie hofften aber auf einen positiven
Einfluß des US-Präsidenten, der in den vergangenen Jahren die
Bemühungen um eine Beendigung des seit Jahrzehnten schwelenden
Nordirland-Konflikts intensiv unterstützt hat Großbritanniens
Nordirlandministerin Mo Mowlam erhofft sich von dem Treffen einen
neuen Impuls für den Friedensprozeß, der durch die Ermordung
der Anwältin Rosemary Nelson durch pro-britische Extremisten
belastet wurde. Zu dem Anschlag in Lurgan hat sich die
Untergrundgruppe "Red Hand Defenders" bekannt. Mowland
äußerte die Hoffnung, daß schon in nächster Zukunft eine
Lösung für die noch offenen Probleme des Friedensprozesses
gefunden werden könne. Die Gespräche über die Entwaffnung der
IRA, die bis Karfreitag diesen Jahres abgeschlossen werden
sollten, wurden bis zum 13. April ausgesetzt.
Zugleich unterzeichneten Großbritannien und Irland vier
Verträge, die die Einrichtung mehrerer britisch-irischer sowie
gesamtirischer Institutionen nach der Nordirlandvereinbarung
regeln. Es handelt sich um die grenzüberschreitenden Behörden,
in denen Nordirland und die Republik in sechs
Verwaltungsbereichen zusammenarbeiten, um den gesamtirischen
Nord-Süd-Ministerrat mit Sekretariat im nordirischen Armagh, um
den britisch-irischen Rat, an dem neben London und Dublin auch
alle autonomen Regionen des Vereinigten Königreichs beteiligt
sind, sowie um die bilaterale britisch-irische Ministerkonferenz
als bilaterales Koordinationsorgan. Damit demonstrierten die
beiden Regierungen, daß von ihrer Seite aus alles getan ist, um
die nordirische Selbstverwaltung zu ermöglichen, und daß es
jetzt an den Nordirischen Parteien liegt, ihre Differenzen
beizulegen. Kurz vor der Ankündigung des neuen Datums hatte der
Sinn-Fein-Führer Adams gewarnt, die Fristverschiebung werde zu
einer ernsthaften Krise führen. Nichts deutete aber darauf hin,
daß die Republikaner oder die Unionisten von ihren unvereinbaren
Positionen abrücken würden. Der Parteichef der
Ulster-Unionisten und gewählte Erste Minister Nordirlands,
Trimble, beharrte in Interviews darauf, er werde Vertreter Sinn
Feins in seinem Kabinett nur dulden, wenn die Irisch
Republikanische Armee (IRA) zuvor ein klares Abrüstungszeichen
gesetzt habe. Adams anderseits insistiert, die
Friedensvereinbarungen sähen keine solche Vorbedingung für die
Bildung der Regionalregierung vor. Das ist, strikt am Buchstaben
gemessen, richtig; doch die Regierungen in London und Dublin
haben den Republikanern zu bedenken gegeben, daß ihre Weigerung
dem Geist der Vereinbarungen zuwiderläuft und daß mit der
Verwirklichung anderer Verpflichtungen, für die ebenfalls kein
Anfangsdatum besteht, längst begonnen worden ist.
Tony Blair machte den Vorschlag erst eine Nordirische Regierung
unter Beteiligung der Sinn Fein zu bilden, die dann einen Monat
später die Waffen abgeben sollen. Die Waffenübergabe soll an
einem neuzuschaffenden gesamtirischen Feiertag stattfinden, dem
"Nationalen Tag der Versöhnung". Auch protestantische
paramilitärische Verbände sollen dann Waffen abgeben. Am
gleichen Tag werde die britische Armee und Polizei einen Zeitplan
für Truppenabzüge bekanntgeben. Sollte die IRA dem Vorschlag
nicht zustimmen, können die anderen nordirischen Parteien eine
Regierungsbeteiligung von Sinn Fein ablehnen, bevor die britische
Regierung einen Teil ihrer Macht abtritt.
Rahmenbedingungen:
Die Republik Irland gibt durch Verfassungsänderung ihren
territorialen Anspruch auf die sechs Ulster-Grafschaften auf und
akzeptiert, daß sie bei Großbritannien bleiben, solange dies
dem Mehrheitswillen der nordirischen Bevölkerung entspricht
(Referendum am 24.5.: Irland stimmt zu). Das britische Parlament
hebt den Government of Ireland Act von 1920 auf, der die Teilung
Irlands festschreibt (22.4.).
Die neu zu bildende Regionalversammlung ist mit legislativen
Befugnissen in den Bereichen Finanzen, wirtschaftliche
Entwicklung, Soziales, Gesundheit, Bildung, Umwelt und
Landwirtschaft ausgestattet. Wichtige Entscheidungen bedürfen
der Mehrheit von Abgeordneten beider Konfessionen oder eines
Quorums von 60% aller Abgeordneten, unter ihnen mindestens je 40%
der protestantischen wie der katholischen. Die Versammlung wählt
eine nach dem Proporz der Fraktionen zusammengesetzte
Regionalregierung, unter ihnen der Erste Minister und sein
Stellvertreter, die beide neben den Stimmen der absoluten
Mehrhait der Abgeordneten auch die der Mehrheit beider
konfessioneller Seiten auf sich vereinigen müssen.
Die nordirische Provinzregierung und die Regierung Irlands bilden
einen Nord-Süd-Rat als Gremium für die engere Zusammenarbeit.
Ein Britisch-Irischer Rat der Insel aus Vertretern der britischen
und der irischen Regierung sowie der Regionen Nordirland,
Schottland, Wales, England, der Isle of Man und der Kanalinseln
soll bei halbjährlichen Treffen über gemeinsame Initiativen
beraten.
Die bisherige Zusammenarbeit der britischen und irischen
Regierung wird als gemeinsame Regierungskonferenz
institutionalisiert.
Die Bestimmungen über Menschenrechte und Chancengleichheit sehen
u.a. vor, daß in Nordirland eine unabhängige Kommission für
Menschenrechte gebildet wird, der Vertreter von Protestanten und
Katholiken angehören, und daß sich eine Kommission mit der
Förderung der Chancengleichheit vor allem von Angehörigen der
katholischen Minderheit befaßt.
Mit der Klärung von Problemen, bei denen keine Einigung erziehlt
wurde: Polizeistruktur, Entwaffnung der paramilitärischen
Verbände und vorzeitige Freilassung politischer Häftlinge,
werden unabhängigen Kommissionen beauftragt. Die Entwaffnung
soll in zwei Jahren abgeschlossen sein; ebenfalls die Entlassung
der meisten Häftlinge. London baut seine militärische Präsenz
in Nordirland schrittweise ab.
Durch den Konflikt fanden in den Jahren zwischen 1969 und 1998
mehr als 3500 Menschen den Tod. Durch die Diskriminierungen, der
katholischen Bevölkerung bei der Ausblidung und im Beruf, die
bis heute anhält, ist die Zahl der Arbeitslosen auf Seiten der
Katholiken höher als die auf Seiten der Protestanten.
Außerdem kommt es durch den Konflikt zu einer Schwächung der
Wirtschaft Nordirlands, da weder ausländische Investoren noch
Touristen den Weg nach Nordirland finden.
1169 | Einfall der Normannen in Irland |
1539 | Beginn der Verfolgung der Katholiken durch die Protestanten |
1601-1607 | "Flucht des Adels" |
1783 | Politische Unabhängigkeit Irlands |
1799 | Handelsfreiheit Irlands |
1800 | Irland wird von England annektiert |
1829 | Gleichstellungsvertrag |
ab 1845 | Landflucht nach Amerika |
1858 | Gründung der Irish Republican Army (IRA) |
1870 | Gründung der Home Rule Party |
1905 | Gründung Sinn Feins |
Ostern 1912 | Verwaltungsrechtliche Autonomie |
1916 | Besetzung des Postamts in Dublin |
1919 | Volksvertrtung in Dublin |
1919-1921 | Unabhängigkeitskrieg |
1921 | Unabhängigkeit Irlands; Teilung in Irland und Nordirland |
1949 | Republik Irland |
1969 | Stationierung britischer Truppen in Nordirland; "Besatzermacht" |
1970 | Wiedergründung der IRA |
20. Januar 1972 | "Bloody Sunday (ra)" |
1979 | Lord Mountbatten wird getötet |
1985 | Abkommen zwischen London und Dublin |
1991-1992 | Mehrparteiengespräche über Zukunft Nordirlands (ohen Sinn Fein) |
1993 | Rahmenbedingungen eienr Friedensregelung |
1994 | Waffenruhe der IRA und der protestantischen Milizen |
Seit 1995 | Gespräche mit Sinn Fein |
10. April 1998 | Friedensabkommen für Nordirland |
Der Fischer Weltalmanach ´99 (ISBN3-596-19099-)
Irland (Verlag Bassermann, ISBN 3-8094-0289-3)
dtv-Atlas Weltgeschicht (ISBN 3-423-03001-1; ISBN 3-423-03002-X)
Irland-Initiative
Mannheim Heidelberg